Vor mir explodiert die Sonne.

Ob es meine sein soll, also die, die ich kenne, weiß ich nicht. Sie ist vor mir und ich sehe ihr letztes Aufbäumen vor dem endgültigen Zerfall. Natürlich wird es noch ein paar Millionen oder auch nur ein paar Hundert[1] Jahre dauern, bis es soweit ist. Noch dehnt sie sich nur aus, bestimmt mit einigen Tausend Kilometern die Stunde. Oder gar die Minute. Die Sekunde? Ob sie schon ein Roter Riese ist? Sie sieht nicht rot aus.

Mich umsehend zähle ich die Planeten. Es sind zwei weniger geworden. Als ich das letzte Mal da war, hatte sie sie noch nicht geschluckt. Am dritten, einem großen, wabernden Ungetüm ganz aus Gas,[2] ist sie schon unglaublich nah dran. Man sieht, wie die der Hitze zugewandte Seite immer wieder zerfressen in sich zusammenfällt. Ich hatte mir oft vorgestellt, wie die Sonne Planeten verkohlt und schmilzt und noch lange, bevor sie sie erreicht, verdampft, die Überreste in sich hineinzieht und verheizt. Dabei war mir nie eingefallen, dass es irgendwann ja auch einen der Gasriesen treffen musste. Und wie das aussehen sollte, konnte ich mir nicht vorstellen. Jetzt sehe ich zu, wie die Hitze an dem armen Ding zu zupfen scheint, als sei es ein Wattebausch. [3] Lange hat er nicht mehr. Ob darauf mal was gelebt hat? Ob vielleicht sogar der ganze Planet selbst lebendig war? Das gab’s doch mal in ’nem Film, da war der ganze Planet ein Lebewesen. Oder, nein, das war nur irgendein blöder Nebel, der sprechen konnte. Aber an sich ist das auch egal, denn was immer da hinten mal geatmet haben mag, hat längst verbrannte Lungen.

Mir fällt auf, dass ich nicht atme. Wann immer mir bewusst wird, dass ich irgendetwas Lebensnotweniges nicht tue,[4] weiß ich, dass es gleich vorbei ist. Darum wende ich mich vom Planeten ab und schaue noch einmal in die gleißende Lichtflut vor mir, von der ich eigentlich erblinden und verbrennen müsste.

Eines Tages wird sie ein weißer Zwerg sein. Wie ich.

Oder vielleicht ein schwarzes Loch.[5]



[1] Zeit im Weltraum ist nicht meine Stärke. Das muss ich dringend mal recherchieren, allein schon um rauszubekommen, ob ich dem Ganzen da in Echtzeit zuschaue. Aber die Verhältnisse bei Sonnen und Planeten sind wahrscheinlich so außerhalb dessen, was man sich vorstellen kann (allein meine Entfernung zur Sonne in Kilometern auszumachen erscheint mir unmöglich), dass ein paar knappe Jahresangaben mir wahrscheinlich auch nicht helfen würden.

[2] Bei kurzer Überlegung ist der dritte Planet unseres Systems kein Gasriese, sondern die Erde, also kann es nicht meine Sonne sein.

[3] Daraus lässt sich schließen, dass es aus nicht brennbaren Gasen besteht. Ich kann mir vorstellen, dass es sonst einfach wie eine Wasserstoffbombe in die Luft gehen würde.

[4] Abgesehen von der allgegenwärtigen Tatsache, dass ich eigentümlicherweise im All schwebe und weder mit den abnormen Druckverhältnissen noch der Temperatur nennenswerte Probleme bekomme. Manchmal drückt es ein bisschen in den Ohren, aber das war’s.

[5] Allerdings schätze ich, dass diese Sonne nicht viel größer ist als unsere, darum wird sie wahrscheinlich nicht mal ein Neutronenstern werden.